Kirchen und Religion. Irgendwie unscheinbar, und auch bei weitem nicht von allen praktiziert. Ausnahme: Weihnachten und Ostern, da gehen dann doch die meisten. Das ist Deutschland, nicht so Uganda. Das Christentum ist hier für die Jugendlichen fast schon eine Hipsterbewegung. Wer nicht dabei ist, ist uncool oder zumindest Spielverderber. Diese Bewegung ist so dominant, dass sich die muslimische Minderheit sehr zurückhaltend ausnimmt. Auf Facebook schreibt einer meiner ugandischen Freunde, dass er Jesus nie missen möchte:
Jesus take the wheel, take it from my hands coz I can't do this on my own. Am letting go so give me one more chance and save me from the road I'm on.#Jesustakethewill.
Es gibt unglaublich viele Kirchen. Zum Beispiel die Redeemed Christian Church Namuwongo, zu der mein Freund gehört. Oder die Good Biblelife Church neben unserem Trainingsplatz vom Zirkus.
Die Kirche gehört zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Freunde treffen, Kirche putzen, Theaterstücke einüben,... Wenn ich meine Kids aus dem Zirkus frage: Wo warst du gestern während dem Training? 50% Wahrscheinlichkeit, dass es die Kirche war. Meine Mitbewohnerin hat mich gestern zur einer church production geschleppt. Gruselig. Es wurden Alltagsszenen vorgespielt und dann gezeigt wer in den Himmel und wer in die Hölle kommt. Da war ein Mädchen das nach unehelichem Sex AIDS hatte: gestorben und ab in die Hölle unter dem Beifall der Zuschauer.
Eine Seite weiß ich sehr zu schätzen. Die Chöre. Sonntags morgens in einem Hostel aufwachen, der Regen prasselt auf das Dach und durch die offene Türe kommen Gospelsequenzen in den Schlafraum; gemütlicher kann man nicht aufwachen.
Anderes Thema. Busfahrten sind in diesem Land eine ganz neue Erfahrung. Beim ersten mal noch zu ertragen. Beim zweiten mal grenzwertig. Wer von Kampala in die nächste “Stadt“ fährt (Kampala ist für deutsche Verhältnisse der einzige Ort, der den Titel Stadt verdient), wartet erst mal geraume Zeit am entsprechenden Buspark. Nicht darauf, dass der Bus kommt, sondern darauf das er sich füllt. Ugandische Busse fahren nicht los, bevor nicht jeder Platz mindestens einmal belegt ist. Effizient für die Busgesellschaft; schon mal was von Kundenkomfort gehört? Für Marokkoreisende soweit nichts Neues. Während man auf die Abfahrt wartet, werden einem Powerbanks, Klopapier, Limo und Glucoseriegel angeboten. Mit dem Start des Motors wird es spannend. Der Bildschirm vorne im Bus, und gegebenenfalls der in der Mitte kommen zum Einsatz. Da sagt noch einer, man würde sich nicht um seine Kunden kümmern. Es laufen ugandische Folklore-Pop Musikvideos. Der Ton scheint für Schwerhörige eingestellt zu sein. In den Videos geht es richtig zur Sache. Da werden Leute erschossen und vergewaltigt; im Bus sitzen Kinder. Jeder Clip ist irgendwie gleich wie der vorige. Ich misse Kreativität. Beim ersten mal sage ich mir: eine authentische Afrikaerfahrung, beim zweiten mal merke ich nur wie ich nach 6 Stunden Dauerbeschallung einen dicken Kopf bekomme. Vielleicht auch, weil die gleiche CD gelaufen ist, bei einer anderen Busgesellschaft, einer anderen Stadt.
Wieder witzig wird es beim Weggehen. Meist laufen auch dort die ugandischen Mainstreamlieder. Nichts ist tabu, fast nichts. Wenn Ugander Tanzen sprüht das nur so vor Energie und Selbstbewusstsein. Kontaktfreudig und manchmal scheinbar wie Warmmachen für den nächsten Geschlechtsverkehr, dass ist Tanzen hier. So was wie einen Körperklaus findet man hier nur schwer. Wenn Jungen wie Mädchen Tanzen, kein Problem, der hat seinen Spaß. Motto: Abspacken.
Tanzen tun schon die 4jährigen. Imitiert wird das, was die Großen machen. Vorbilder gibt es viele, alleine schon die unglaublich vielen Tanzgruppen. In meinem Zirkus gibt es alleine schon zwei, aufgetreten wird bei jeglichen Events. Motto: Tanzen bis der Arzt kommt.
Kommentar schreiben