Tag 1
Domenique und Miet, zwei ältere Belgierinnen, nehmen mich am letzten Kreisel in Windhoek Richtung Wüste mit. So nimmt ein Traum ins Nichts zu fahren, Gestalt an. Namib bedeutet “Nichts“ und ist der Name einer der ältesten Wüsten unseres Planeten; bekannt durch die roten Sanddünen. Doch schon weit vorher zieht die Landschaft einen in ihren Bann. Es ist trocken, dürr und erdfarben um uns herum. Und vor allem weit. Man meint die Stille, die über allem ruht, sehen zu können. 60km nach Windhoek biegen wir von der asphaltierten Hauptstraße auf eine Schotterpiste ab. Wie sich herausgestellt hat, sind wir mit gleichen Ziel unterwegs. Für ca 300km sehen wir außer ein paar Farmen nichts, was an Zivilisation denken lässt. Nur die Zäune, rechts und links der Straße, sind unser ständiger Begleiter. Ansonsten ist da nur eine perfekte wild west Kulisse um uns rum. Freiheitsgefühl pur. Es schließt sich ein Kreis auf meiner Reise, die rasend dem Ende zugeht. Zum zweiten mal trampe ich in eine Wüste, fühle Freiheit und Glück in ihrer konzentriertesten Form und einen inneren Frieden, den ich sonst oft suche. Dafür braucht es nicht viel, wie das namibische Nichts zu zeigen vermag.
Domenique und Miet sind sehr froh, dass sie einen Begleiter mit im Auto haben. Falls das Auto nicht mehr weiterfährt zum Beispiel. Ich sage besser nicht, dass ich von der Technik eines Autos keinen blassen Schimmer habe. Als wir an eine gigantische Pfütze kommen, die fast die komplette Piste einnimmt, drücken sie mir das Steuer in die Hand. Ich lache innerlich, bin schließlich über ein halbes Jahr nicht mehr Auto gefahren und sehe vor mir einen gescheiterten Versuch von zwei Deutschen. Meine Rolle gefällt mir; dieses Gefühl stark zu sein, Hindernisse überwinden zu können und anderen ein sicheres Gefühl zu geben. Nachdem ich unseren VW auf die andere Seite gebracht habe (mein Herzrasen brauche ich wohl kaum erwähnen), helfe ich den anderen, ihr Auto aus der Matschfalle zu befreien. Als es wieder auf festem Boden, aber immer noch auf der falschen Seite steht, geben sie mir die Schlüssel für Nr 2. Zuhause, in einem bekannten Umfeld, wäre ich nie in diese Position gekommen. Hier zählt nur, was ich in genau dem Moment ausstrahle. Sehr befreiend.
Auf unserem Weg zur Tankstelle Solitaire sehen wir 4 verschiedene Antilopenarten, Gnus, Zebras, einen Strauß und Wüstenfüchse. Solitaire würde nahtlos in jeden Western passen. Alte Blechkaroserien, halb eingesunken im Sand, säumen die kleine Tankstelle. Weiter gibt es einen Tante-Emma-Laden und eine Bäckerei mit Streuselapfelkuchen. Die letzten Kilometer vor dem Desert Camp geht die Sonne in all ihren Farbenfacetten unter. Ich werde für die Nacht auf das Sofa im Lodgezimmer von den Belgiern eingeladen.
Tag 2
05:45 Uhr. Wir machen uns startklar. 6 Uhr. Wir stehen vor dem Gate zum Namib Naukluft Park. 06:30 Uhr. Die Tore gehen auf. Wir rasen Richtung Sossusvlei auf einer geteerten Straße. 06:50 Uhr. Die Sonne geht über den Naukluft Bergen auf und lässt mit ihren ersten Strahlen die Sanddünen links und rechts der Straße in einem warmen Rot erstrahlen. Am Ende der Straße befindet sich Sossusvlei. Es handelt sich dabei um eine ausgetrocknete Salzpfanne, die das Ende des Tsauchab Flusses markiert. Der Fluss, der maximal ein paar Tage im Jahr Wasser führt, schafft es nie bis zum Atlantik. Um den Vlei herum erheben sich über 300 m hohe Dünen. Wer beispielsweise Big Daddy besteigt, hat eine atemberaubende Sicht über die umliegende Wüste, die sowohl aus Sand, als auch Gebirgen besteht. Die Farbpalette deckt so ziemlich jeden warmen Farbton ab, von Elfenbein (Kalk), über Gelb, Ocker und Orange bis zu Rot und dunklem Braun. Die Stille ist dass, was mich mit am meisten fasziniert. Man hört oft nur sich selbst. Das Herz, den Atem. Und manchmal den Sand, wenn er sich auf den Weg zu neuen Formen begibt.
Tag 3
Früh breche ich mit Domenique und Miet nach Swakop auf, ein Küstenstädtchen mitten in der Wüste. Dort angekommen, witzeln wir über die deutschen Straßennamen und ich kaufe ordentliches Brot in einer “Bäckerei Konditorei“. Zum Abschied werde ich noch zum Essen eingeladen: damit ich mal was gescheites esse. Alles was ich für die Zwei habe, ist eine feste Umarmung. Von Swakop mache ich mich auf den Weg nach Windhoek, um mit Dani noch mein letztes Wochenende zu verbringen.
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usch (Samstag, 11 Juni 2016 22:17)
das Photo mit dem Auto ist abgefahren! Die Farben, das Motiv...könnte aus einer Werbekampagne stammen....
die Wüstenbilder erinnern entfernt an Island..abssolute Ruhe und das Gefühl , in die Urzeit zurückversetzt zu sein... ,und bravo...zur Fluss, bzw, Pfützenquerung...da sackt mal kurz das Herz in die Hose ..wenn man das noch nie gemacht hat:))
Allerliebste Grüße, Usch und der ganze Rest
Lynn (Montag, 13 Juni 2016 13:48)
Wie du schreibst klingt immer richtig ergreifend und schön. Die Wüste sieht echt toll aus.